Isaac läuft mit seinem zweijährigen Sohn über den Platz, der von den Sorgen der meisten Menschen um ihn herum nichts ahnt. Der Kleine aus Ghana hat gut und sicher geschlafen, bekam ein Frühstück, hat seine Eltern und seinen Bruder bei sich. Und: Er durfte einen freundlichen schwarzen Hund mit buntem Brustgeschirr ganz aus der Nähe bestaunen. Das genügte, um das dunkle Kindergesicht zum Strahlen zu bringen. Für Sekunden lassen sich Beobachter der Szene von dem entspannten Moment anstecken und lächeln mit, aber eigentlich ist dies kein fröhlicher Ort: Auf einer Freifläche im Außenbereich des Flughafen Weeze sind am Wochenende weitere 200 Flüchtlinge untergebracht worden. "Um Obdachlosigkeit zu vermeiden hat die Bezirksregierung angefragt, ob bei uns Zelte aufgebaut werden können", berichtete Flughafen-Geschäftsführer Ludger van Bebber. Wie so oft kam die Anfrage völlig unvorbereitet, nur Stunden, bevor sich die Busse mit den Menschen an Bord in Bewegung setzte.
Mit dem Aufbau der Zeltstadt wurde das THW aus Geldern betraut. Gregor Bieker, der Kreisbeauftragte, rief in kürzester Zeit 30 Helfer zusammen, die sich Richtung Weeze aufmachten, um das von der Bezirksregierung geschickte Material zu übernehmen und daraus ein Notlager zu errichten. "Die Kollegen vom Klever Ortsverband haben für den Strom gesorgt", erklärt er.
Ein halbes Dutzend mittelgroßer Zelte, ausgestattet mit Etagen- und Feldbetten stehen nun um eine Mitte aus Tischen, Bänken und Sonnenschirmen herum. Nach Biergartenatmosphäre sieht das alles aber wahrlich nicht aus. Unruhig laufen die Männer, Frauen und Kinder umeinander, fragen nach Wasser, das der Caterer kaum schnell genug herbeischaffen kann.
Mehrere Taxen rücken an, um gesundheitlich angeschlagene Menschen zu den Krankenhäusern zu bringen. Ein Junge mit aufgeschrapptem Kinn braucht nur ein Pflaster - das sehen die erfahrenen Ersthelfer mit einem Blick. Für einen Mann, der barfuß ist und nur eine Decke über den Schultern trägt, muss Kleidung gefunden werden. "Er ist auf der Flucht wohl auch noch ausgeraubt worden", hat ein Helfer verstanden.
Aus zahlreichen Ländern stammen die Leute, haben endlos lange Reisen hinter sich und sind noch lange nicht angekommen. "Die Hälfte von ihnen soll noch heute abgeholt werden, die übrigen nehmen wir morgen in unsere feste Unterkunft auf dem Airport-Gelände auf", erklärt Werner Stage, Kreisbereitschaftsführer des DRK aus Weeze, der nun schon seit Monaten ein Lager nach dem anderen managt. Ob das Zeltlager dann tatsächlich wieder abgebaut wird? So ist es jedenfalls angekündigt.
Viel Aufwand für eine nur zwei, drei Tage währende Notlösung. Die Flüchtlinge müssen deutliche Abstriche an den Komfort machen: Einige Dixie-Toiletten und eine Waschstation unter freiem Himmel müssen für die Hygiene genügen. "Weil die Nächte jetzt schon ordentlich kühl werden, muss auch Warmluft in die Zelte geblasen werden", berichtet Bieker. Bei dem starken Regen in der Nacht fiel die Anlage mehrfach aus und beschäftigte die Techniker stundenlang. Die Betreuer aller Einheiten sind sich einig: "Das kann so nicht lange funktionieren; mit diesen Zelten können wir nicht in den Herbst gehen." Geplant wird allerdings woanders; DRK, THW und andere Organisationen hangeln sich derzeit von Tag zu Tag. Mit Ehrenamtlern, die zurück zu ihren Jobs müssen, und immer mehr kurzfristig Angestellten.
Familienvater Isaac aus Ghana sieht den Einsatz der Helfer durchaus und ist ihnen dankbar. "Wir sind abhängig davon, dass uns geholfen wird", sagt er. Schon vor Jahren sei er aus Ghana nach Libyen geflohen und von dort mit einem Boot übers Mittelmeer nach Italien gelangt. Inzwischen hat er Familie und hofft, dass es für sie bald eine dauerhafte Unterbringung in Deutschland gibt.